Oft haben wir Eltern das Gefühl unsere Kinder wollen genau das Gegenteil von dem, was wir wollen. Wir möchten, dass sich unser Kind die Schuhe anzieht, aber es möchte gerade noch in Ruhe seine Spielsachen in den Kindergartenrucksack packen. Wir haben es aber eilig und wollen nicht zu spät in die Kita und auf Arbeit kommen. Wir ermahnen das Kind. Es wird wütend und verweigert das Anziehen der Schuhe komplett. Die Trotzphase.
Stelle ich mir nun vor ich würde morgens meine Tasche packen: Handy, Kalender, alle Unterlagen, etwas zu Essen, Handcreme, eine Wasserflasche und wahrscheinlich noch das Ladegerät. Irgendetwas davon kann ich nicht gleich finden und es dauert etwas länger. Dabei würde Christian die ganze Zeit hinter mir stehen und mich ermahnen, dass ich jetzt doch mal endlich meine Schuhe anziehen soll, weil wir es eilig haben. Ich würde wohl richtig wütend werden. Niemand würde das Trotzen nennen.
Laut Duden bedeutet Trotz “hartnäckiger [eigensinniger] Widerstand gegen eine Autorität aus dem Gefühl heraus, im Recht zu sein”. Doch das ist kein eigensinniger Wiederstand, sondern es treffen einfach nur unterschiedliche Vorstellungen zweier Menschen aufeinander.
Die Vorstellungen unserer Kinder
E hat mit ihren fast 2,5 Jahren eine sehr genaue Vorstellung von dem was sie will. Gestern Abend lagen wir im Bett und sie versuchte mit den Worten „Ene, mene Kartoffelbrei,..hex, hex“ ihre neuen Hausschuhe herzuzaubern. Dass das nicht funktioniert weiß sie schon. Aber sie fand es lustig. Ich fragte dann meine Töchter, was sie denn am nächsten Tag gern essen möchten. Da sie meist mehr essen, wenn sie mitbestimmen können mache ich das inzwischen jeden Tag und wenn mir ihr Vorschlag nicht gefällt, mache ich Gegenvorschläge. Meist können wir uns dann einigen. Gestern Abend wünschte sich E dann Kartoffelbrei. Und ergänzte gleich noch: „Und Bonbons, und Schokolade und Hustenbonbons.“ Ich erklärte ihr, dass das nicht geht. Das wir aber gern etwas Süßes zum Nachtisch essen können. Dagegen hatte sie keine Einwände. Wir haben einen guten Kompromiss gefunden.
Das funktioniert nicht immer so gut. Wenn ich E nachmittags von ihrer Tagesmutter abhole begrüßt sie mich immer mit den Worten „Gingi machen“ (sie möchte gestillt werden). Meist haben wir dafür keine Zeit, denn 20 Minuten später schließt Cs Kita und wir brauchen etwa 15 Minuten für Anziehen, alles zusammen suchen und die Fahrt. Wenn ich dann „Nein, wir müssen deine Schwester abholen“ sage wird E meist wütend. Das ist verständlich. Sie hat mich seit 8 Stunden nicht gesehen und braucht dringend Mama-Nähe. Jetzt habe ich 2 Möglichkeiten:
Ich kann E einfach anziehen, ihren Rucksack packen und sie dann mit nach unten nehmen. Sie würde richtig wütend werden. Ich hätte wahrscheinlich Probleme sie im Fahrradanhänger anzuschnallen und würde mit einem schreienden Kind durch die Stadt fahren.
Aber ich könnte ihr auch erklären, dass wir es eilig haben, ich sie dann aber gern in der Kita stillen kann. In dem Fall hat es E dann meist ganz eilig. Sie möchte sich dann oft gar nicht mehr anziehen und schnell nach draußen. Momentan ist das okay, dann geht sie eben barfuß. Im Winter nehme ich sie dann meist auf den Arm und wenn wir draußen sind merkt sie wie kalt es ist und ich darf ihr dann im Anhänger die Schuhe anziehen.
In Beiden Fällen bin ich an mein Ziel gekommen. Doch bei Möglichkeit eins musste E viele Kompromisse eingehen und ich keine. Im zweiten Fall mussten wir Beide Kompromisse eingehen. Kompromisse die okay und fair sind.
Unseren Kindern Kompetenzen zugestehen
Unsere Kinder wissen nicht alles. Wir Eltern aber auch nicht. Unserem Kind ist es vielleicht wichtig morgens bestimmte Dinge einzupacken, weil es diese als Eltern-Ersatz in der Kita braucht. Wir wissen das vielleicht nicht und unterbinden das, weil wir schnell los wollen. Unser Kind ist dann vielleicht den ganzen Tag unglücklich, weil ihm die Mama fehlt und es das Kuscheltier zum Trösten nicht mitnehmen konnte. Wenn unser Kind wütend reagiert sollten wir das nicht einfach nur auf „das Trotzalter“ schieben. Sondern wir sollten versuchen unser Kind zu verstehen. Was möchte mein Kind gerade. Wir sollten nicht gleich verärgert sein, wenn unser Kind nicht das macht was wir wollen. Wir sollten versuchen ruhig zu bleiben. Uns kurz Zeit nehmen.
Wir wünschen uns, dass unsere Kinder lernen kompetent eigene Entscheidungen zu treffen. Das wollen unsere Kinder auch. Sie wollen nicht gegen uns rebellieren, sie haben nur eine andere Vorstellung. Wir sollten versuchen das zu unterstützen und es nicht unterbinden. Natürlich gibt es dabei immer Grenzen. Wir können unsere Kinder nicht einfach auf die Straße laufen lassen. Aber wir können sie von der Sofakante springen lassen ohne ängstlich daneben zu stehen. Und wenn doch etwas passiert, dann trösten wir sie und kleben ein Pflaster auf die Wunde. Denn wir sind ihre Eltern die sie lieben. Und auch wenn wir schon vorher wussten, dass es wahrscheinlich ein Fehler ist da herunter zu springen können wir unseren Kindern ruhig zugestehen Fehler zu machen. Denn auch wir überschätzen öfter unsere Kompetenzen und müssen dieser durch Rückschläge neu überdenken.
Eure Sarah
Ein tolles Buch zu dem Thema hat Jesper Juul geschrieben: „Dein kompetentes Kind“.
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