Schwesternliebe&Wir
Erziehung&Entwicklung

Mädchen, Junge oder einfach nur ein Kind

Meine Töchter sind ziemlich verschieden. Meine große Tochter ist eher ein ruhiges Kind, ein Kind was bedacht durchs Leben geht, sich Gedanken um das Wohlergehen von anderen macht und selten vorschnell handelt. Sie mag es zu Hause zu sein und ihre gewohnte Umgebung um sich zu haben. Sie mag es wenn es ruhig ist und beschwert sich auch schnell mal wenn jemand zu laut ist. Sie braucht länger um Menschen die ihr nicht so nah stehen zu vertrauen und nachdem wir eine Woche bei ihren Großeltern zu Besuch gewesen sind hat sie sich gewünscht endlich wieder nach Hause zu fahren. Sie ist ein sehr sensibles Kind.

Meine jüngere Tochter ist ganz anders. Sie ist laut, sehr laut. Sie bewegt sich eigentlich immer rennend fort, springt Hügel herunter die höher sind als sie selbst und sagt “Das war doch nur Quatsch.” wenn sie sich den Kopf gestoßen hat. Ihr sind die Wünsche von anderen meist egal, sie macht das was sie will. Sie will viel erleben und alles erkunden. Sie ist sehr bestimmt, selbstbewusst und findet sich eigentlich überall schnell zurecht.

Beide sind schon immer so. Und beide sind Mädchen. Beide Mädchen haben Persönlichkeitszüge aus der Kategorie typisch Mädchen und typisch Junge. Aber Persönlichkeitszüge oder Vorlieben nach dem Geschlecht einzuordnen halte ich für sehr schwierig. Meine Töchter zeigen mir immer wieder, dass Verschiedenartigkeit nichts mit dem Geschlecht zu tun hat. Nur einige wenige Eigenschaften kommen vielleicht etwas öfter bei Mädchen vor als bei Jungen und umgekehrt. Aber die wenigsten davon sind wohl genetisch veranlagt.

Also warum gibt es immer wieder diese Mädchen- und Jungengeschenke?

Nachdem unsere große Tochter geboren war besaß sie auch kurze Zeit später eine Puppe. Und nicht lange danach kam die Zweite. Interessiert hat sie sich nie dafür. Auch ihr Puppenhaus steht eigentlich unbenutzt in der Ecke. Dafür hat sie sich schon sehr früh (mit unter zwei Jahren) für Lego interessiert. Nicht das Lego-Duplo , sondern das richtige Lego. Jedes Mal wenn ich es hervorhole spielt sie lang damit. Die Kinder können es aber noch nicht selbst herausholen, da ich mit den Kleinteilen noch bedenken hab. Auch fand sie das Bobbycar, das Laufrad und ihr Fahrrad schon sehr früh spannend. Klingt jetzt alles nicht so typisch Mädchen.

Eine Tätigkeit, die eher Mädchen zugeschrieben wird, macht sie allerdings gern: Basteln. Doch ihr Basteln beschränkt sich eher auf Papier zerschneiden, Aufkleber überall hin kleben, Glitzerleim verschmieren und malen. Ausgiebige Basteltätigkeiten sind ihr meist zu aufwendig und sie kann selten die Geduld dafür aufbringen. Doch wenn sie etwas geschenkt bekommt, dann ist es nicht Lego (für das sie die Geduld hat), sondern irgendwelcher Bastelkram (wo das meiste meist ich mache und das Ergebnis anschließend zerschnitten wird). Wäre sie ein Junge würde sie wahrscheinlich viel Lego besitzen, aber sie ist ein Mädchen.

Ich finde es schade, dass so oft nicht das Kind – sondern ein Mädchen oder ein Junge gesehen wird. Dabei haben doch so viele kleine Mädchen und Jungen gar nicht diese typischen Eigenschaften. Und mit diesen geschlechtertypischen Geschenken werden Kinder dann in eine bestimmt Richtung gedrängt. Das Mädchen was am liebsten baut und Phantasiewelten erschafft und auch gern bastelt, wird in die Bastelecke gedrängt. Denn das Bauen ist Jungenkram.

Unsere jüngere Tochter hat als sie angefangen hat richtig zu Spielen am liebsten mit Autos gespielt (das war bei ihrer Schwester auch so). Also habe ich, als unsere Älteste 1,5 Jahre alt war ein Parkhaus auf ihre Weihnachtswunschliste geschrieben. Zwei Jahre später (dann war unsere jüngere Tochter schon lang geboren und fast Zwei) habe ich dann unseren Töchtern dieses Parkhaus geschenkt. Es wurde begeistert angenommen. Das Parkhaus ist auch das erste Spielzeug aus Holz was wir besitzen an dem inzwischen etwas kaputt gegangen ist. Hätten meine Töchter dieses Parkhaus eher geschenkt bekommen wenn sie keine Mädchen wären? Ich vermute es.

 Da ist ein Kind

Ich wünsche mir, dass wir Erwachsenen lernen mehr das Kind zu sehen. Das Kind mit seinen besonderen Eigenschaften, seinen besonderen Interessen und weniger “das Mädchen” oder “der Junge”. Ich wünsche mir, dass ich es auch selbst immer wieder schaffe mehr darauf zu achten. Denn wie oft erwische ich mich dabei den mädchentypischen Eigenschaften meiner Töchter zu sehr Priorität zu geben.

Die liebste Fernsehserie meines Kindes ist nun mal keine mit Prinzessinnen, sondern eine Serie über einen kleinen Indianerjungen. Und zu Fasching wollte hier auch niemand ein Prinzessinenkostüm. Und auch das Schmetterlingskostüm, was ich gekauft hatte, wurde abgelehnt. Nein, die Beiden wollten lieber einstimmig ein Dino sein. Und zurzeit verkleidet sich unsere große Tochter am liebsten als Indianer. Und auch die Puppen um die sich ihre kleine Schwester immer sehr gern kümmert tragen bei uns nie Kleidung, denn meinen Töchtern fehlt einfach die “mädchentypische” Geduld ihnen auch noch Kleidung anzuziehen.

Klar mögen sie auch Dinge die typisch Mädchen sind. Aber genauso gern mögen sie auch Dinge die eher typisch Junge sind. Und mit ihrer Persönlichkeit verhält es sich ähnlich.

Ich wünsche meinen Töchtern, dass wir geschlechtergeprägten Erwachsenen mehr ihre besondere Persönlichkeit und ihre besonderen Fähigkeiten und Interessen sehen. Und weniger ihr Geschlecht was sie mitbekommen haben. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass typisch Mädchen und typisch Junge nicht viel mit Genetik zu tun hat, sondern viel mehr mit dem was Kinder lernen.

Eure Sarah

Das magst du vielleicht auch…

4 Comments

  • Reply
    Jennifer
    22/09/2015 at 8:23

    Liebe Sarah,

    schön geschrieben und den ersten Schritt kannst nur du dazu machen. Mein Sohn liebt zum Beispiel Dinge, denen man nachsagen würde. Typisch Mädchen, aber warum muss alles gleich Mädchen sein nur weil es rosa ist und mit Ponys zu tun hat? So wurde hier ein Barbiekissen gekauft, wir schauen gemeinsam Wendy, My little Pony und Co. er darf sich hier frei entfalten und ich lausche seinen Wünschen. Andersherum ist das super, denn für Freundinnen findet er immer die schönsten Geburtstagsgeschenke 🙂 Er macht sich da echt einen Kopf und basteln mag er auch, obwohl ihm das oft nicht so gelingt wie er es möchte.
    Allerdings hat er selber Angst, dass es Kinder aus seiner Schule mitbekommen. Er hat Angst dafür ausgelacht zu werden, weil er zu sensibel für die Jungensendungen ist. Oder weil er ein rosa Kissen hat. Hier hab ich den Auftrag bekommen zu sagen, dass es meins ist, wenn mal andere Kidner zu Besuch kommen. Nur 3 seiner besten Freunde wissen es. So war er glücklich auf einer typischen “Mädchen”party, dass sie selber Holzsteckpferde gebastelt haben. Wenn man die richtigen Menschen um sich hat, dann können die Kidner auch ohne Kummer das ausleben was sie wollen. Einer der besten Freunde meines Sohnes war zum Beispiel an Karneval eine Prinzessin. Cool oder?

    Liebe Grüße

    Jenny

    • Reply
      Sarah
      23/09/2015 at 12:39

      Ja, da hast du völlig recht. Den ersten Schritt müssen wir Eltern immer selbst machen. Schön, dass dein Sohn sich so frei entfalten darf.
      Aber schade, dass Kinder sich so oft schämen, wenn sie nicht ins richtige Raster passen. Das liegt wahrscheinlich dann auch daran, dass eben so viele Kinder noch dieses typisch Mädchen-typisch Junge lernen und dann eben auch Kindern gegenüber die anders sind oft komsch reagieren.

  • Reply
    Barfuss auf Lego
    22/09/2015 at 11:34

    genau so. ich denke bei meinem kind ganz oft: “typisch junge!”, aber genau so oft, wenn er sich selbst etwas aussuchen darf, sind es eben dinge, die laut gesellschaft eigentlich “typisch mädchen” sind.
    danke für diesen text!

  • Reply
    Joanna
    23/09/2015 at 21:11

    Deine zwei Mädchen erinnern mich an meine kleine Schwester und mich selbst: Ich war immer die Ruhige und sie die, die viel Krach gemacht hat. Dafür haben wir uns immer super ausgeglichen: Ich hatte die guten Ideen für Spiele, und sie holte uns ein paar Freunde dazu. So war es mit uns nie langweilig.
    Unsere Mutter hat uns immer die Sachen gekauft, mit denen wir am meisten Spaß hatten, und deswegen bin ich auch ganz dankbar. Wir haben gerne mit Barbies gespielt, aber genau so oft mit Lego und Autos. Und wir waren zwar Mädchen, aber wir haben uns immer als Piraten, Cowboys und Ninjas verkleidet.
    Leider haben viele immer noch diese veraltete Vorstellung von Mädchen und Jungen. Da wird das rosa Kinderzimmer gekauft für das Mädchen, blau ist doch eine Jungenfarbe! Leider macht die Industrie das auch nicht besser mit dem extra Überraschungsei nur für Mädchen. Wenn man sowas für seinen Sohn kaufen würde, macht man ihn doch schwul! Traurig eigentlich. Alles, was Spaß macht, sollte doch für jeden verfügbar sein.
    Liebe Grüße!

  • Leave a Reply

    Diese Webseite nutzt Google Analytics. Wenn du gern davon ausgeschlossen werden möchtest, dann klicke hier. Hier klicken um dich auszutragen.