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Falsche Erwartungen // warum das Eltern-sein manchmal so schwer ist

Es ist Abend und meine Töchter werden langsam müde. Das Babymädchen liegt da und gähnt. Einige Minuten später wird sie quengelig und ich vernehme, mit einem schimpfenden Unterton, ein lautes “Da, da, da”. Auch E ist müde. Bei ihr zeigt sich das meist, dass sie bei jeder Kleinigkeit die nicht genauso läuft wie sie das mag weint. Dann sitzt sie da schreit und schimpft und lässt sich nur noch mit Umarmungen und Kuscheleinheiten beruhigen. Unserer dritten Tochter merke ich die Müdigkeit auch an. Sie wird dann oft ungeschickt und scheint irgendwie schon in ihrer eigenen Traumwelt zu sein. Oft hört sie mich dann gar nicht, wenn ich mit ihr spreche.

Ich versuche dann mich zu beeilen. Schnell wird noch das Babymädchen gewaschen, Schlafanzüge werden angezogen und Zähne geputzt. Dann sind wir alle bereit und kuscheln uns ins Bett. Wir vier, am Wochenende wir fünf, zusammen. Ich stille das Baby, streichle und halt Händchen. Manchmal muss dann jemand noch unbedingt etwas trinken oder auf die Toilette. Aber meist ist dann einige Minuten später alles ruhig. 30 Minuten später höre ich oft nur noch ruhige Atemzüge. Ich schleiche mich nach draußen und blicke vom Bettrand aus noch einmal zurück auf meine schlafenden Kinder. Wie friedlich und glücklich sie da liegen. Alle drei nebeneinander. Später werde ich mich dann neben sie legen.

Unser schwieriger Weg zum friedlichen Schlafen

Doch das Schlafen war bei uns nicht immer so friedlich. Bei unserer ersten Tochter versuchte ich lange eine Möglichkeit zu finden, wie sie allein in ihrem Bett einschläft. Schreien lassen war für mich dabei nie eine Option. Das hatte ich einmal kurz probiert. Damals machte ich ihr eine Spieluhr an und verließ ganz kurz das Zimmer. Das hielt ich aber nur wenige Sekunden aus. Und seitdem habe ich eine große Abneigung gegen Spieluhren. Aber ich wollte den Tipp wenigstens einmal ausprobieren. Immerhin kam er von mehreren Seiten und es hatte wohl so auch richtig gut funktioniert mit dem Allein-Einschlafen. Damals kannte ich noch keine Bücher zu Schlaftrainings und ähnlichem. Ich hatte keine Ahnung was dahinter steckt und welche Auswirkungen diese haben. Ich suchte nach einer Lösung. Aber diese konnte es nicht sein. Das war mir schnell bewusst.

Ich probierte also weiter und weiter. Irgendwann war meine Tochter vermutlich so durcheinander, dass sie jeden Abend nur einschlief, wenn wir sie hüpfend durchs Zimmer trugen und dabei laute “Sch”-Geräuche machten (Babys kennen diese aus Mamas Bauch, wenn das Blut an ihnen vorbeigerauscht ist. Deswegen wirken Staubsauger, Fön oder Autofahren auch oft besonders beruhigend auf viele Kinder). Oft dauerte es 30-40 Minuten bis sie dann endlich nicht mehr weinte. Und nach weiteren 30 Minuten des Herumtragen schlief sie dann so tief, dass wir sie ablegen konnten. In ihrem Babybett. Diese Abende waren nicht einfach. Denn sie war schon 15 Monate alt, nicht gerade leicht. Obendrein hatte ich auch schon wieder einen ordentlichen Babybauch.

Wir hatten eindeutig so einiges falsch gemacht. Unsere Tochter war völlig durcheinander. Zwar hatten wir sie nie allein schreien lassen, aber ihr auch nie durchgängig das gegeben was sie eigentlich wollte. Einfach bei uns sein.

Und wir hatten es vor allem uns schwer gemacht. Ständig machte ich mir Gedanken darüber, wie ich unser Kind nur dazu bringen kann allein im eigenen Bett zu schlafen. Ohne, dass sie nach 2 Stunden wieder aufwacht und schreit, um dann anschließend wieder von mir getragen zu werden. Denn anders hätte sie sich nicht wieder beruhigt.

Irgendwann hatte ich keine Kraft mehr, ich “gab auf”. Ab da legte ich mich jeden Abend mit ihr gemeinsam in unser Bett. Sie legte ihren Kopf dann auf meine Brust, hörte meinen Herzschlag. Ich streichelte sie und sie schlief ruhig ein. Am Anfang brauchte sie noch die gewohnten “Sch”-Laute um sich zu beruhigen. Aber sie merkte sofort, dass wir nicht mehr in “ihrem” Zimmer waren. Dem Zimmer in dem sie die Nacht allein verbringen sollte. Sie merkte sofort, dass sie jetzt nicht mehr allein sein wird. Dass sie dort ist, wo auch Mama und Papa in der Nacht sein werden. Sie brauchte also nicht mehr zu weinen. Denn ihr weinen in der Zeit davor war keine Müdigkeit gewesen oder Übermüdung, wie ich es gern interpretiert habe. Mit ihrem Weinen wollte sie uns einfach nur sagen, dass sie nicht in diesem Raum schlafen möchte. Diesem Zimmer in dem sie allein sein wird. In einem Bett in dem kein Platz für Mama und Papa ist.

Geschlafen hat sie in ihrem Zimmer auch vorher nur die ersten Stunden. Denn sobald wir selbst ins Bett gegangen sind, haben wir sie immer mit zu uns genommen. Denn keiner von uns hatte die Kraft jede Nacht aufzustehen und sie wieder in den Schlaf zu tragen.

Also warum haben wir uns eigentlich so lange gequält mit diesem “Abendritual”?

Jetzt einige Jahre später frage ich mich das regelmäßig. Warum habe ich es mir so schwer gemacht? Meine Tochter hat mir doch immer wieder lautstark gezeigt, dass sie das nicht möchte.

Überall sehen wir immer wieder Babys, wie sie friedlich in ihren Babybetten schlafen. In der Werbung, in Filmen, in Zeitschriften. Ein Babybett gehört doch zur Grundausstattung! Und darin sollte das Baby doch auch schlafen! Und dann sind da noch die anderen um uns herum. Die Tipps und Ratschläge von Außen. “Du musst dein Kind nur, wenn es noch wach und müde ist, ins Bett legen, dann lernt es das Einschafen schon.” “Lasse es ja nicht zu lange bei dir schlafen, sonst bekommt ihr es nie aus eurem Bett.” Ach und all diese anderen Ratschläge die einem immer wieder weiß machen wollen es wäre “normal”, wenn Kinder allein im eigenen Bett, im eigenen Zimmer einschlafen. Und es wäre “normal”, dass Kinder mit 6 Monaten durchschlafen, denn dann braucht das Kind in der Nacht keine Nahrung mehr.

Sicherlich gibt es Babys und Kinder, bei denen das so ist. Aber es gibt auch sehr viele Babys und Kinder bei denen dieses “normal” überhaupt nicht zutrifft. Keines meiner drei Kinder hat bislang diesem “normalen Baby” entsprochen.

Mein erstes Kind hat meine Sichtweise auf das Leben mit einem Baby komplett verändert. Sie hat mir beigebracht, dass es kein “normal” gibt bei Kindern. Es gibt da nur ein Kind. Ein Kind was Bedürfnisse hat. Diese können ganz unterschiedlich sein und sind von Kind zu Kind verschieden. Ich muss meinem Baby nicht beibringen, wie schlafen funktioniert. Es muss von mir nicht lernen, wie es allein in seinem eigenen Bett schlafen kann. Ich muss einfach nur hinschauen. Hinschauen, was mein Kind braucht. Seine Müdigkeitsanzeichen erkennen und dann da sein. Meine Kinder zeigen mir von ganz allein, was sie dann brauchen. Und das ist in unserem Fall keine Spieluhr, sondern unsere Nähe.

Eure Sarah

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9 Comments

  • Reply
    Ruth
    16/12/2017 at 7:00

    Liebe Sarah,
    was du da über das Einschlafen schreibst, kann ich nur bestätigen. Uns ging es genau so.
    Unsere Kinder haben einen ungewöhnlichen Schlafrhythmus. Sie sind abends erst sehr spät müde. Dass sie als Babys nicht stundenlang still in ihrem Bett liegen und mit Ruhe abwarten, dass sie endlich einschlafen, ist wohl klar. Und Schreien lassen war für uns auch nie eine Option. Genau wie du habe ich das ein einziges Mal probiert. Als ich dann unsere winzige Tochter zitternd und bebend vor Angst und Verzweiflung nach ein paar Minuten weinend in den Arm nahm, habe ich mir geschworen, meinem Kind so etwas NIE wieder anzutun. Das Ganze ist nämlich kein “schlafen lernen”, sondern lediglich “Resignation”.
    Erst als ich mir bewusst wurde, welches Geschenk das eigentlich ist, unsere Kinder diese paar Jahre in den Schlaf begleiten zu dürfen, verbesserte sich alles.
    Wenn ich merkte, dass ich genervt davon war, dass meine Kinder wieder mal nicht einschlafen konnten, obwohl ich doch so gerne Feierabend haben wollte, besann ich mich, und ließ mich einfach in die Situation fallen, Ich genoss es seitdem, noch mit diesen zauberhaften Wesen zu kuscheln, ihre Wärme und Weichheit zu spüren und genießen zu dürfen, und irgendwann ihren beruhigenden, gleichmäßigen Atem an mir zu fühlen. Immer in dem Bewusstsein, dass ich mich in ein paar Jahren genau danach sehnen werde.
    Von daher: Danke, dass du den Mut hast, so offen darüber zu berichten!

    • Reply
      Admin Sarah
      16/12/2017 at 23:46

      Liebe Ruth, irgendwie habe ich lange Zeit gedacht, ich mache etwas falsch oder meine Kinder sind falsch, weil sie nicht allein einschliefen. Denn irgendwie scheint das sonst überall so zu sein. Inzwischen sehe ich es wie du. Ich liege jeden Abend neben den dreien und finde es einfach wunderschön. Manchmal bin ich aber auch genervt, wenn es länger dauert. Denn es immer so zu genießen ist eben nicht leicht. Und dann kommt manchmal unsere Älteste und erzählt mir, dass sie jetzt mal versuchen möchte im eigenen Bett zu schlafen. Ohne mich. Klar freue ich mich dann auch, dass sie sich das zutraut. Aber ich bin auch immer wieder froh, wenn sie es sich dann am Abend meist anders überlegt. Aber die Zeit wird kommen, wo sie nicht mehr bei uns schlafen wollen und dann werde ich das definitiv sehr vermissen! Deswegen bin ich auch unglaublich froh, dass ich die Situation damals so für mich akzeptiert habe. Was besseres hätte ich auch für mich nicht tun können!

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    Julia Hillgärtner
    19/12/2017 at 8:41

    Liebe Sarah, dank meiner Facebookfreien Zeit habe ich die Gelegenheit mal in Ruhe bei dir zu lesen. Schon dieser erste Artikel auf den ich gestoßen bin, rührt mich sehr. Auch ich erkenne mich voll wieder. Wie schön, dass wir alle jederzeit dazu lernen können und es anders machen dürfen wenn wir merken es tut uns/unserer Familie nicht gut.

    Liebe Grüße und schöne Feiertage <3

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    Janna
    21/12/2017 at 18:50

    Liebe Sarah,

    ich kenne das Thema auch nur zu gut. Wir haben das auch mehrmals probiert, dass unser Sohn alleine in seinem Bett schläft und schreien lassen konnte ich ihn auch nie. Ich hab auch das Gefühl der Druck kommt von der Gesellschaft, denn in vielen anderen Kulturen ist es auch nicht üblich, dass Kinder im eigenen Bett schlafen. Es ist auch nicht natürlich. Die Schwiegermutter guckt immer noch komisch, dass unser Kleiner weiterhin bei uns im Bett schläft. Wir bekommen jetzt erneut Nachwuchs und den Kleinen aus dem gemeinsamen Familienbett zu “vertreiben” war und ist für uns keine Option. Auch den Spruch, “den kriegt ihr nie aus dem Bett” mussten wir uns anhören. Aber mit 16 wird er wohl kaum noch bei uns schlafen 🙂 Ich finde es ganz furchtbar, wenn ich Geschichten höre, wo die Kleinen bereits mit wenigen Wochen alleine im Bett und sogar im eigenen Zimmer schlafen müssen. Ich finde, solange alle damit einverstanden sind, ist es eine super Sache. Und das Liebesleben leidet nicht darunter, es muss ja nicht im Ehebett stattfinden 🙂 Man sollte auf sein Bauchgefühl hören. Leider lässt man sich als Erstmutti viel zu leicht von außen verunsichern.

    • Reply
      Sarah
      22/12/2017 at 10:45

      Oh ja, man ist echt so schnell verunsichert. Und denkt dann man macht alles falsch. Deswegen finde ich es auch immer wieder schön zu hören, dass es eben vielen anderen auch so geht. Und wenn unsere Kinder dann mal Kinder bekommen wird es vielleicht für sie einfacher.
      Wir schlafen übrigens auch mit Baby und großen Geschwistern im Familienbett. Und gefühlt schläft das Baby allein durch die Nähe der Schwestern besser. Sind diese nämlich mal nicht da, dann ist unsere Einschlaf- und Weiterschlafsituation deutlich schwieriger.

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    Carina
    06/01/2018 at 16:29

    So ist es und ich denke mir immer ein Baby kann einfach doch gar nicht anders kommunizieren. Wie oft wollte ich als Kind selbst bei Mama und Papa sein. Schön geschrieben und ich finde es macht andere mama‘s Mut auf ihr Gefühl zu vertrauen anstatt diesen tollen Ratschlägen zu folgen obwohl man merkt dass kann nicht der richtige Weg sein.

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    Susi
    15/01/2018 at 19:53

    Liebe Sarah, wir hatten die gleichen Strapazen mit unserer Tochter und dem einschlafen, trotz gemeinsamen Schlafen im Familienbett von Anfang an bis heute (sie ist jetzt 4,5). Stundenlanges Schaukeln, Händchen halten… es dauerte regelmäßig bis zu einer Stunde bis sie schlief. Gemeinsames Schlafen ist da sicher hilfreich, löst aber leider auch nicht alle Einschlafprobleme.

    • Reply
      Sarah
      15/01/2018 at 22:21

      Da gebe ich dir Recht. Und das möchte ich auch gar nicht damit sagen. Vielmehr möchte ich mit der Schilderung meiner persönlichen Geschichte zeigen, dass es oft so schwer ist, weil wir als Eltern versuchen irgendwelchen Standards zu entsprechen (ZB. Kind in eigenem Zimmer, eigenem Bett), anstatt einfach nur auf unser Kind und unser Gefühl zu hören. Euch wünsche ich sehr, dass es irgendwann leichter wird. Einschlafbegleitung kann wirklich zu etwas sehr anstrengendem werden!

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    Birgit
    19/01/2020 at 21:14

    Im ersten Jahr hat das Kind im Babybettchen in unserem Schlafzimmer geschlafen. Danach haben wir mit den Kindern Stück für Stück trainiert alleine im Bettchen im eigenen Zimmer einzuschlafen, was nach x Mal auch funktioniert hat. Ich brauche nachts einfach Platz und meine Ruhe und so Kinder in meinem Bett würden nur meine friedliche und geruhsame Bettruhe stören. Ausserdem bin ich abends müde und habe keine Lust stundenlang an den Bettchen zu sitzen….irgendwann muss dann auch mal Schluss sein….aber Jeder wie er es will. Wenn man das Theater mitmachen will, nur zu. Ich brauche meine Kraft für den nächsten Tag denn da geht der Zinnober ja weiter…und berufstätig bin ich ja auch noch. Wobei die Berufstätigkeit zu einem Wellnessurlaub wird im Vergleich zu dem Zuhausebleiben mit Kindern (dem anstrengendsten und undankbarsten Job den ich kenne). Jetzt sind beide Kinder in der Schule und es wird immer besser und leichter…..

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