Meine Tochter liebt es neue Dinge auszuprobieren. Neues zu erlernen. Immer wieder fällt ihr etwas ein, was sie unbedingt können möchte. Mir drei Jahren fuhr sie schon Fahrrad, was mir ehrlich gesagt sehr früh erschien. Ich glaube ich konnte das frühestens mit fünf. Sie übte und übte und irgendwann fuhr sie dann ganz sicher und raste uns fast davon. Naja, so fast: mit ihren kleinen Rädern gab sie auf jeden Fall ihr Bestes. Immer wieder entdeckte sie in ihren Kinderbüchern etwas Neues. So waren wir schon im Musikunterricht und Ballett tanzt sie nun auch schon seit fast zwei Jahren.
Der Lernwille ist wirklich groß. Nicht nur, wenn es um diese Freizeitaktivitäten geht. Auch kleiner Dinge wie ein perfektes Bügelbild zu erstellen oder einen Wollpuschel zu basteln wecken in ihr immer wieder einen großen Ehrgeiz. Stimmt die Farbkombination mal nicht richtig oder ist etwas nicht ganz symmetrisch beginnt sie von vorn. Kleinere Rückschläge steckt sie da wirklich gut weg und macht einfach weiter. Der Lernwille ist einfach zu groß. Doch manchmal kommen nicht nur kleine Rückschläge, manchmal klappt es einfach wieder und wieder nicht.
Dann versucht sie es immer wieder zu schaffen, kommt aber einfach nicht weiter. Sie findet nicht den richtigen Lösungsweg oder hat schlicht und einfach vielleicht noch nicht die richtigen körperlichen Vorraussetzungen. Sport ist z.B. eher nicht so ihr Ding. Sie ist einfach nicht besonders sportlich. Was nicht schlimm ist, ich bin es auch nicht und werde es wohl auch nie sein. Mir liegt das einfach nicht so. Ich kann zwar schwimmen und Fahrrad fahren, aber eben nicht besonders gut oder ausdauernd.
Dafür kann ich andere Dinge gut: ich kann super planen, bin kreativ, kann ganz gut kochen und behalte meist den Überblick über alles. Auch meine Tochter hat ihre Stärken. Wirklich tolle Stärken: sie ist sehr emphatisch und einfühlsam, kreativ ist sie auch und lernbegierig. Ach, und da sind noch tausende weitere Dinge.
Doch meine Tochter möchte gern alles können. Sie möchte eine gute Radfahrerin, eine gute Schwimmerin sein und auch diejenige, die am höchsten auf alle Bäume klettert. Wenn sie dann scheitert, macht sie das oft sehr traurig. Sie vergisst über dieser Traurigkeit ihre anderen tollen Talente. Sie vergisst wie toll sie tanzt und wie wundervoll sie kreative Dinge herstellt. In solchen Momenten denkt sie, sie könnte gar nichts.
Wahrscheinlich kennen wir alle dieses Gefühl von uns selbst. Gelingt uns mal etwas nicht, fühlt es sich oft an, als wenn uns nichts gelingen könnte. In diesen Momenten sind wir dann oft froh, wenn uns jemand zeigt wie gut wir doch so vieles können. Wir müssen nicht alles können!
Auch unsere Kinder, besonders unsere Kinder brauchen diese Unterstützungen. Die Hilfe ihrer Eltern über dieses Gefühl der Hilflosigkeit und des Nichts-könnens hinwegzukommen. Wir können ihnen helfen und ihnen zeigen, wie sie es schaffen könnten. Wir können ihnen aber auch zeigen, dass es okay ist, wenn sie etwas nicht schaffen. Denn das ist es! Wir müssen nicht alles schaffen und unsere Kinder müssen das auch nicht. Oft denken sie das, weil wir Eltern für sie wohl oft wie die großen Wunderwesen wirken die schon alles können. Wir können schon radfahren, schwimmen, sogar schon Auto fahren. Das dahinter bei uns jahrelanges Üben steckt, sehen unsere Kinder nicht. Sie sehen nur, dass sie es noch nicht können und schon gar nicht so gut.
Mein liebes Kind, du bist perfekt! Du kannst so viele Dinge so wunderbar. Du erstaunst mich immer wieder mit deinen tollen Fähigkeiten, deinem können und deiner Bereitschaft neues zu erlernen. Es ist aber auch völlig okay, wenn du scheiterst, wenn du Dinge nicht sofort schaffst. Wenn du Dinge nicht so gut beherrschst wie ich. Denn du hast noch Zeit.
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