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Schule // Warum ich Belohungs- und Bestrafungssysteme nicht sinnvoll finde

Eine Verhaltensampel, Belohnungen für Sonderaufgaben und Urkunden, wenn bestimmte Ziele erreicht werden. All das gehört in den meisten Schulen einfach dazu. Auch unsere Tochter hat seit der ersten Klasse all das kennen gelernt. Sie bekam Glassteine als Belohnung für Zusatzaufgaben. Einige hat sie da schon gesammelt. Und mit dem vollständigen Ausfüllen ihres Lesepasses bekam sie eine Urkunde. Jetzt ist sie Lesekönigin.

All das motiviert. Unsere Tochter hat in den Winterferien ständig lesen geübt, damit sie endlich diese Urkunde erhält. Immer wieder sollten wir auf die Uhr schauen und ihre Zeiten eintragen. Und endlich hielt sie dann nach den Ferien ihre Urkunde in den Händen. Noch am selben Abend fragte ich sie, ob sie noch etwas lesen möchte. Ihre Antwort: “Das macht doch jetzt keinen Sinn mehr, ich bin doch schon Lesekönigin”. Das war vor zwei Monaten und in diesen kompletten zwei Monaten hat sie sich nun kein einziges Mal mehr mit ihrem Lesebuch hingesetzt, um zu üben. Ich finde das nicht schlimm. Ich werde sie auch nicht dazu zwingen weiter zu üben. Doch ihre eigene Motivation ist jetzt nicht mehr da. Ihr innerer Antrieb lesen zu lernen wurde durch die von außen gegebene Belohnung überlagert.

Und diese Motivation war definitiv schon einmal da. Schon vor dem Schulstart konnte es ihr nicht schnell genug gehen. Zahlen, Buchstaben, schreiben und lesen – alles war interessant. Ihr Wissensdurst war riesig und sie freute sich all das in der Schule lernen zu dürfen. Und das ganz ohne irgendwelche Versprechungen. Niemand hatte ihr erzählt, dass sie dafür mal irgendwann kleine Geschenke oder Urkunden bekommen würde. Ihre Motivation war einfach da. Weil Kinder einfach einen intrinsischen Willen haben zu lernen.

Schon kleine Babys zeigen uns das unaufhörlich. Sie probieren Dinge immer wieder und lernen so irgendwann sitzen, stehen, laufen und reden. Dabei scheitern sie immer wieder, bis es irgendwann funktioniert. Und sie brauchen keine Belohnung als Ziel um es immer wieder zu probieren. Der Wille ist einfach da. Der eigene intrinsische Antrieb etwas zu erreichen ist schon von Anfang an in uns drinnen.

” Weil du Mama so gut geholfen hast, bekommst du einen Sticker. “

Irgendwann fängt es dann an mit den Belohnungen. Wenn du dies oder das tust, dann bekommst du Gummibärchen. Manche Eltern benutzen auch ganze Listen mit Aufgaben, die Kinder zu erfüllen haben. Dort kommen dann Sticker oder Häkchen hinter die erfüllten Aufgaben und bei einer bestimmten Anzahl gibt es dann eine Belohnung: Fernsehen oder Eis. Je nach Alter werden diese Belohnungen angepasst.

Das ganze funktioniert natürlich, solange die Motivation ausreichend angeregt wird. Und irgendwie kann ich es auch oft verstehen, dass solche Systeme genutzt werden. In manchen Situationen fällt mir oft auch nichts Besseres ein. Zum Beispiel, als ich schwanger war und meine beiden großen Mädels nach der Kita das letzte Stück von der Bushaltestelle nicht nach Hause laufen wollten. Sie waren müde von einem langen Tag und alles Erklären, dass ich es einfach nicht schaffe, sie beide zu tragen half nichts. Was allerdings half, war das Versprechen, dass wir zu Hause ein Eis essen.

Allerdings ist es mir bei Ausräumen des Geschirrspülers lieber, wenn mir meine Töchter freiwillig und aus Liebe zu mir helfen. Und nicht wegen des Eises, welches wir danach zusammen essen.

Was ist, wenn solche Belohnungen ständig eingesetzt werden?

Das erste was wir als Eltern dabei immer bedenken sollten: solche Belohnungen sind Manipulation. Wir manipulieren damit den Willen unserer Kinder. Tun wir das dauerhaft kann das dazu führen, dass die eigene intrinsische Motivation immer mehr verloren geht.

Das führt dann dazu, dass Kinder irgendwann nicht mehr selbst wissen was sie wollen. Der innere Antrieb etwas Bestimmtes zu lernen und sich Wissen in einem bestimmten Bereich anzueignen geht dann verloren. Manchmal kommt es uns zwar so vor, als wenn Kinder diesen grundsätzlich nicht hätten, aber mein Beispiel aus der Babyzeit zeigt eigentlich, dass dieser definitiv da ist. Und wenn wir kleine Kinder genau beobachten, dann sehen wir diesen Lernwillen und diese Begeisterungsfähigkeit immer wieder.

Doch durch Systeme -wie unser Schulsystem – werden Kinder in ein bestimmtes Muster gepresst. Da gibt es bestimmte Lehrpläne und diese muss jedes Kind in einem bestimmten Tempo erfüllen. Egal ob die Interessen vielleicht anders liegen.

“Es gibt Dreijährige, die sich das Lesen selber beibringen. Die meisten Kinder beginnen mit sieben Jahren zu lesen. Und dann gibt es noch jene 500000 Erwachsene in der Schweiz, deren Lesekompetenz trotz neun Schuljahren leider nur ausreicht, einfachste Texte zu lesen.” (Remo Largo)

Die Kompetenzen mancher Menschen liegen einfach nicht beim Lesen. Dafür aber mit Sicherheit an einer anderen Stelle. Und diese bestimmte Stelle kann ein Kind auch finden, wenn es sich nach seiner eigenen intrinsischen Motivation nach bilden darf. Wird es aber eben von außen immer wieder nur für bestimmtes Verhalten belohnt, dann geht dieser innere Antrieb nach und nach uns verloren. Er wird dann überlagert von Glassteinen für möglichst viele Mathematik-Aufgaben und Leseurkunden.

Und dann steht das Kind irgendwann viele Jahre später da. Und weiß vermutlich nicht genau, wo die eigenen Kompetenzen liegen.

Genau aus diesem Grund finde ich Verstärkerpläne, Verhaltensampeln und andere Belohnungen mehr als schwierig. Denn nur auf den ersten Blick sieht es so aus, als wenn diese unsere Kinder wirklich fördern.

Eure Sarah

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5 Comments

  • Reply
    Kristin Nagel
    05/03/2018 at 17:22

    Dein Text spricht mir aus der Seele. Wir haben noch einige Jahre Zeit, bis unsere Kinder schulpflichtig werden. Ich hoffe immer noch, dass bis dahin Homeschooling legal ist. Aber ich befürchte, da nützt alles Hoffen wenig.

  • Reply
    SilkeAusL
    05/03/2018 at 17:46

    Genau so war es bei meiner Großen jetzt auch:
    Vor der Schule alles wissen wollen, “Welcher Buchstabe ist das? Wie schreibt man das? Welche Zahlen sind das?” und jetzt wird sie irgendwie ausgebremst:” Nein, das dürfen wir noch nicht machen!” “Nein, diesen Buchstaben hatten wir noch nicht, das muss ich nicht können (konnte sie aber vorher komischerweise schon…)”
    Traurig ist das.

  • Reply
    Sabrina
    07/03/2018 at 18:27

    So true!!
    Das macht mir für unsere Kinder richtig Angst 🙁

    • Reply
      Sarah
      07/03/2018 at 23:00

      Es ist so traurig, wenn wir Zuhause alles geben um unseren Kindern ein freies Aufwachsen und Lernen zu ermöglichen. Selbst bei meinen jüngeren Kindern in der Krippe und Kita wird das gelebt. Und dann geht die Schule los und es gibt quasi kein Entrinnen mehr…

  • Reply
    Hampi
    25/07/2018 at 20:52

    Auf den Punkt gebracht. Frage: hast du dich mit diversen Schulsystemen (Montessori, Rudolf Steiner resp. Waldorf, etc.) auseinander gesetzt und kannst sagen, welche Schulen die Kinder eben gerade NICHT in ein Muster pressen, sondern die die Kompetenzen der Kinder herausschälen?

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