Meine große Tochter war von Beginn an ein sehr nähebedürftiges Kind. Schon kurz nach ihrer Geburt habe ich das gespürt. Sobald sie keinen Körperkontakt mehr zu mir hatte wurde sie unruhig. Nach 38 Stunden kam sie auf die Intensivstation und es gab für sie keine Möglichkeit mehr meine Nähe zu 100 % zu spüren. Nach der Krankenhauszeit brauchte sie diese dafür umso mehr. Sie hat immer auf mir geschlafen. Ablegen konnte ich sie nur, wenn Christian da war. Lange Zeit blieb das so und auch mit über einem Jahr noch, ist sie nur eingeschlafen wenn sie auf meinem Arm war. Auch als ich schon wieder eine große Babykugel hatte. Sie hat lange unsere Nähe gebraucht und von uns bekommen.
Jetzt wird sie bald fünf Jahre alt. Sie ist größer geworden, hat gelernt das ich bei ihr bin auch wenn sie mich nicht sieht, hat gelernt zu reden und kann uns jetzt ihre Ängste und Sorgen erklären. Noch immer braucht sie unsere Nähe, zum Beispiel beim Einschlafen. Aber ihr Nährbedürfnis ist deutlich zurück gegangen und kaum mehr vergleichbar mit der Zeit vor 4/5 Jahren. Sie hat gelernt selbstständiger zu werden. Irgendwann brauchte sie keinen Schnuller mehr zum Einschlafen. Sie hat gelernt keine Windel mehr zu tragen, hat gelernt zu tanzen und Fahrrad zu fahren, hilft mir in der Küche und kann selbstständig das Geschirr auf den Esstisch stellen.
Wenn wir jetzt am Nachmittag nach Hause laufen müssen wir eine Straße überqueren. Meist läuft sie voraus und ich laufe weiter hinten mit unserer kleinen Tochter. Sehr oft haben wir geübt, was sie alles beachten muss, wenn sie die Strasse überquert. Jedes mal möchte sie die Straße nun allein überqueren, ganz selbstbewusst. Und mein Herz bleibt dann kurz stehen. Ich denke an dieses kleine Kind. Dieses Kind was noch vor kurzem ganz von mir abhängig war. Dieses Kind will jetzt allein eine Straße überqueren. Ich weiß genau, dass sie das beherrscht. Denn ich habe sehr oft mit ihr geübt. Doch ich brauche immer einen kurzen Moment um ihr zu vertrauen. Ich muss mich überwinden und meiner Tochter zugestehen Dinge allein zu schaffen. Und sie macht das gut, sie macht es immer gut. Aber es ist schwer sie loszulassen.
Ich versuche immer wieder meiner Tochter vertrauen. Das ist gar nicht so leicht und es wird nicht aufhören. Bald wird sie allein in die Schule gehen oder den Weg allein auf dem Fahrrad bewältigen. Und sie wird noch größer werden und ich muss ihr immer wieder Vertrauen schenken. Sie Loslassen und in die Wurzeln vertrauen die ich ihr gegeben habe. Die Wurzeln, gewachsen durch das Vertrauen was sie in uns hat. Das Vertrauen was entstand, als wir ihr die Nähe gegeben habe die sie brauchte. Die Nähe und Geborgenheit die sie immer bekommt, wenn sie diese braucht.
1 Comment
Insider Dads
25/04/2016 at 8:37Das klingt irgendwie sehr bekannt, wenn plötzlich neues entdeckt wird und dann das Herz kurz aussetzt, weil man Angst hat es könnte ja doch etwas passieren. Aber du sagst das ganz richtig, es ist wichtig und nötig zu lernen auch zu vertrauen und loszulassen.
Liebe grüße und eine schöne Woche