Schwesternliebe&Wir
Erziehung&Entwicklung

Gastartikel: Wenn Kinder eigene Erfahrungen sammeln

Hallo ihr Lieben,

heute habe ich wieder einen Gastartikel für euch. Diesmal kommt die liebe Britta von Erziehungsberatung-Menter zu Wort. Sie betreibt auch einen Blog: Souverän erziehen und begleiten:

Gastartikel

Nie gab es mehr Diskussionen unter Eltern und Pädagogen darüber, unter welcher Erziehung Kinder am besten gedeihen und groß werden, als heute. Es gibt die unterschiedlichsten Erziehungsstile.

Viele Eltern wollen sogar ganz auf die Erziehung ihrer Kinder verzichten und sowieso haben alle eine andere Meinung, wenn es darum geht, wie man denn nun die Kinder am besten erzieht, begleitet oder wie auch immer man das nennen mag.

Aber, bei aller Unterschiedlichkeit gibt es auch etwas, das wahrscheinlich alle unterschreiben würden:

Kinder müssen selbst Erfahrungen sammeln können. Erwachsene können und dürfen ihren Kinder das nicht abnehmen.

Das hören und lesen wir überall. Das klingt logisch und würde wahrscheinlich auch keine von uns bestreiten. Auch ich nicht.

Nein, Kinder sollen und müssen ihre eigenen Erfahrungen sammeln, um sich entwickeln zu können.

So weit, so klar.

Und trotzdem fehlt mir etwas, wenn ich diesen Satz höre. Er ist mir zu lapidar dahin gesagt.

Und für mich noch störender: dieser Satz sagt ganz viel nicht.

Das Fehlende wird nicht ergänzt, egal wohin ich höre oder wann immer ich über dieses Thema lese.

Ein wichtiger Teil wird einfach weggelassen.

Nämlich, wie es den Eltern geht oder wie diese unterstützt werden könnten.

Denn dieses „eigene Erfahrungen sammeln der Kinder“, so wichtig es auch ist, verlangt den Erwachsenen oft eine Menge ab.

Und ich meine nicht die verklebte Küche, wenn die Kinder selbst den Smoothie mixen wollen, auch nicht die Situationen, in denen Eltern die Luft anhalten, weil der Nachwuchs abenteuerliche Kletteraktionen auf dem Spielplatz startet.

Nein, ich meine Erfahrungen, die den Kindern und damit auch den Eltern, wirklich zu schaffen machen. Die verzweifeln lassen, die den Eltern die Nächte rauben, weil sie darüber nachdenken, wie sie ihre Kinder stark machen können, für die nächste Runde Leben, ohne ihnen jedoch jede traurige oder negative Erfahrung aus dem Weg zu räumen.

Denn eigene Erfahrungen zu sammeln macht nicht immer Spaß, ist nicht immer abenteuerlich und lässt die Kinder sich auch nicht immer groß und stark fühlen.

Nein, manche Erfahrungen machen sie erst einmal klein, tun weh und machen sie traurig.

Wenn die Kinder z.B. in der Schule ausgelacht werden, weil sie „anders“ sind.

Weil sie vielleicht eine offensichtliche Beeinträchtigung haben, eine Brille auf der Nase oder schlicht als Junge gerne Nagellack tragen.

Was ist mit solchen Erfahrungen?

Mit Situationen, die die Eltern schon ahnen, die sie kommen sehen.

Und in die sie ihre Kinder trotzdem schicken müssen.

Weil ihnen keine andere Wahl bleibt und weil das Leben leider nun einmal so ist. Es ist nicht immer schön, Menschen sind leider nicht immer nett zueinander.

Das ist die Lebensrealität, in der sich auch unsere Kinder zurecht finden müssen.

Schmerz und Trauer können Eltern ihnen oft nicht abnehmen, und selbst wenn sie könnten, wäre es für ihre Kinder und deren Entwicklung nicht gut.

Eltern können nicht aufhören Haustiere zu haben, weil die Kinder unendlich traurig sein werden, wenn diese sterben.

Sie können nicht mit in die Hofpausen gehen, wenn ihre Kinder gerade eine schwierige Schulzeit durchmachen und kein anderes Kind mit ihnen spielen mag oder sie geärgert werden.

Und sie können auch nicht den Verursacher für den ersten Liebeskummer ihres Kindes aufsuchen und…..  naja, geht halt nicht.

Ich wage zu behaupten, dass alle Eltern dieses Gefühl kennen. Wenn man unendlich mitleidet, der emotionale Schmerz fast schon körperlich wird, weil man absolut hilflos ist.

Weil man das Liebste nicht schützen kann, man aber gleichzeitig weiß, dass es nicht die beste Variante ist, wenn man sich in der Sorge verliert und die Angst sich, zu allem Überfluss, auch noch auf das Kind überträgt.

Also, was macht man dann?

Wie können Eltern ihre Kinder Erfahrungen sammeln lassen, wenn sie sehen, dass die Kinder leiden?

Sie können sich natürlich immer wieder selbst sagen, dass die Kinder daran wachsen werden und auch dies wichtige Erfahrungen für ihre Kinder sind, aber schlafen können sie dadurch wahrscheinlich trotzdem nicht besser.

Dabei könnten Eltern besser schlafen, wenn sie einfach vorbereiteter wären. Denn warum zum Teufel sagt  niemand den Eltern, wie schwierig es ist, wenn man die eigenen Kinder leiden sieht? Warum werden Eltern nicht auf so etwas vorbereitet?

Warum ist in diesen ganzen Ratgebern immer nur die Rede davon, was Eltern alles tun, was sie alles berücksichtigen und bedenken sollen, damit ihre Kinder Erfahrungen sammeln können?

Warum wird nicht auch einmal thematisiert, wie schwer das sein, wie kacke sich das anfühlen kann, für Eltern.

Dass Kinder Erfahrungen sammeln werden, die bedrückend sind, vielleicht sogar die ganze Familie belasten.

Dass Eltern und Kindern diese Situation, nicht vielleicht, eventuell und mit ganz viel Pech einmal bevorstehen könnte, sondern, dass diese Zeit mit 100% er Sicherheit kommen wird. Früher oder später. Aber sie wird kommen, garantiert.

Das muss einem doch mal jemand sagen.

Denn im Prinzip geht es den Eltern da, wie ihren Kindern. Auch für sie ist das „Eltern sein“ eine neue Lebensrealität, in der sie sich zurecht finden müssen und auch sie brauchen manchmal Unterstützung und müssen auf bestimmte Situationen vorbereitet werden.

Und mehr braucht es eigentlich auch nicht, denn ihre Sorge, ihre Hilflosigkeit kann ihnen sowieso niemand abnehmen und selbst wenn…..naja, ihr wisst schon, eigenen Erfahrungen und so.

Aber wenn Eltern wissen, es wird eine Phase geben, da stehen sie nicht daneben und schauen entzückt zu, während ihr Nachwuchs Erfahrungen sammelt, sondern wälzen sich im Bett schlaflos hin und her, dann können sie vielleicht die Vorboten sehen und vorbereitet sein.

Und das wiederum hilft, dass sie gefestigt und gestärkt, ihren Kindern eine Stütze in dieser schwierigen Zeit sein können.

Denn das ist das, was Eltern in dieser Zeit für ihrer Kinder tun können. Für sie da sein, sie unterstützen und für ausgleichende Erlebnisse sorgen, in denen es sich unbeschwerter anfühlt.

Und natürlich können Eltern dies am souveränsten, wenn sie sich gedanklich mit solchen Situationen schon auseinander gesetzt haben.

Denn dann rennen sie nicht ahnungslos ins Unglück hinein, sondern sind bewaffnet.

Mit Baldriantee und Taschentüchern und mit dem Wissen, dass auch nach diesem Regen wieder die Sonne am Himmel zu sehen sein wird.

Und mit etwas Glück vielleicht sogar ein Regenbogen, der ohne diesen Regen nie zu sehen gewesen wäre.

Das magst du vielleicht auch…

2 Comments

  • Reply
    Martina von Jolinas Welt
    16/11/2016 at 18:50

    Nun, das passt ja 100% zu meinem Post von heute, allerdings finde ich man muss das nicht sagen, das ist doch logisch. Sorry, aber waren wir nicht alle mal Kinder, also wer nicht mit Scheuklappen durch die Welt geht muss doch später wenigstens als Erwachsener kapiert haben, dass unsere Erfahrungen unseren Eltern nicht am A… vorbei gingen.
    Natürlich macht man sich als Eltern immer Sorgen, aber bitte, das wird heute einfach übertrieben und ja, ich empfinde das als Jammern auf hohem Niveau. Soll Eltern auf der Welt geben, die sich Sorgen machen müssen ob ihre Kinder morgen was zu Essen bekommen und ja, ich habe ein Kind das “anders” ist, doch ich wälze mich nicht schlaflos rum und mache mir jede Nacht Gedanken, das ändert nichts.
    Und um den Satz aus meinem Post von heute aufzugreifen, meine Mutter macht sich heute immer noch Sorgen um mich, obwohl ich heftigst auf die 50 zugehe, nein, man muss mir echt in keinem Ratgeber schreiben, dass Eltern sein, sich Sorgen machen bedeutet, so wie man mir in keinem Haushaltsratgeber den Tipp geben muss, das Wasser nass ist.

  • Reply
    Britta
    17/11/2016 at 8:53

    Hallo Martina,
    natürlich, gibt es Sorgen, die größer, sprich lebenswichtiger sind, aber haben deshalb andere Ängste und Nöte keine Daseinsberechtigung?
    Das wäre so, als dürfte ich bei einem Beinbruch nicht jammern, immerhin gibt es Menschen, die haben gar keine Beine.
    Und ich freue mich ehrlich für dich, dass du dich nachts nicht im Bett herum wälzt, aber Menschen sind verschieden, auch in ihrer Emotionalität.
    Und das finde ich gut, was nicht bedeutet, dass auch ich andere und deren Empfindungen immer verstehen kann.
    Muss ich auch nicht.
    Aber ich muss auch nicht für andere bewerten, ob ihre Sorge “Jammern auf hohem Niveau” ist, erst recht nicht, wenn ich ihre Lebensumstände und damit ihr “Niveau” auf dem sie “jammern” gar nicht kenne.

    Liebe Grüße,
    Britta

  • Leave a Reply

    Diese Webseite nutzt Google Analytics. Wenn du gern davon ausgeschlossen werden möchtest, dann klicke hier. Hier klicken um dich auszutragen.